Türkei: Billig ist es nur für Touris | WDR Doku

Türkei: Billig ist es nur für Touris | WDR Doku

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Nochmal nächstes Jahr in die Türkei? - Jaa! Die Türkei, ein Paradies für Schnäppchenjäger. Das kommt v.a. bei deutschen All-inclusive-Urlaubern gut an. Für das Geld, was ich hier bezahle, bekomme ich so viel Leistung, das ist nicht mehr normal. Das klingt toll. Allerdings, wo Urlaub so wenig kostet, bleibt kaum etwas hängen bei den Beschäftigten. Ihr Gehalt reicht kaum für das Nötigste.

Wir müssen uns beim Einkaufen einschränken. Auch wenn sie immer versuchen, das gut darzustellen, die Situation ist schlecht. Die Türkische Lira ist im freien Fall. Eine Katastrophe für die Türken, mit nur einem Lichtblick.

Weil die Türkische Lira im Vergleich zum Dollar viel schwächer ist, bevorzugen es die Touristen, hier einzukaufen. Das ist günstiger für sie. Shoppen im Urlaub, das bringt Geld ins Land. Und dabei richten sich die Türken längst nicht mehr nur an europäische Touristen.

Es kommen immer mehr arabische Touristen. Die können sich sehr schnell flexibel auf die Zielgruppe sich orientieren. Es gibt aber auch Urlaubsregionen, die klar im Aufwind sind.

Doch auch hier droht der Ausverkauf für den Massentourismus. Das macht mich fertig. Ich bin richtig traurig. Geld und Tourismus ist nicht alles.

Das Land, in dem der Tourismus so wichtig ist, steht vor großen Herausforderungen. Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR * Musik * Hunderte Meter über der Landschaft von Kappadokien. Mehr als 150 Ballons steigen gleichzeitig über der Tuffsteinlandschaft auf.

Ein Abenteuer, das man so nur hier erleben kann. Habt ihr euch das so fantastisch vorgestellt? Ja, wir waren einfach bereit dafür. Wir konnten es kaum erwarten. Ein Platz im Korb kostet bis zu 280 Euro. Davon können viele Menschen vor Ort gut leben.

Piloten, Funker, Fahrer, Firmen, die Ballons produzieren und reparieren und Souvenirhändler. Ein perfekt vermarktetes Urlaubserlebnis. Die allermeisten Türkei-Urlauber suchen aber immer noch Sonne, Strand und Füße hoch. Wir sind in Kemer in der Touristenregion Antalya. Hier im Hotel Limra gibt es Platz für 2.500 Gäste.

Eines der größten Hotels der Türkei. Wer hier Urlaub macht, trägt Bändchen. All-inclusive ist der Verkaufsschlager. Wir treffen v.a. Familien. Özge Bahadin ist mit ihrem Mann und den beiden Kindern aus Neuss hergekommen. Den beiden war v.a. die Kinderbetreuung wichtig.

Wir wollten nur pure Erholung. Und sind hier mit 2 Kindern. Die haben hier auch einen Kids Club. Also, dass die Kinder vormittags viel Programm haben und wir können in der Zeit ein bisschen entspannen. Mein Name ist Dincer Sarikaya.

Ich bin der Leiter des Limak Limra Hotels. Unsere Türen sind für alle geöffnet. Deutsche, Russen, Ukrainer, Holländer, Gäste aus der ganzen Welt.

Noch vor einigen Jahren kamen in Sarikayas Hotel überwiegend deutsche Urlauber. Mittlerweile wird hier an der Hotelbar immer häufiger auch russisch gesprochen. Besonders in Kemer liefern sich Deutsche und Russen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das ist dieses Jahr auch so.

Wenn man sich das generelle Bild anschaut, kann man nicht sagen, dass v.a. russische Touristen hier sind. Aber im Vergleich zum Kriegsbeginn kommen jetzt wieder mehr Russen. Sehr viele Russen in Kemer. In diesem Jahr hat Özge Bahadin dabei ein eigenartiges Gefühl.

Mein Mann und ich haben uns gedacht, aufgrund dieser politischen Situation. Dann sieht man die so Spaß haben und sich bedienen lassen und einfach das Leben genießen. Das soll jetzt nicht rassistisch klingen. Nicht jeder einzelne Russe kann ja etwas dafür, was da herrscht, aber das ist ein ungutes Gefühl. Seit den Kriegssanktionen ist die Türkei eines der wenigen Mittelmeerländer, in das russische Touristen noch direkt fliegen können.

Über den Krieg sprechen wollen sie lieber nicht. Tut mir leid. Kein Kommentar. - Okay. Genießen Sie Ihren Urlaub. In diesem Sommer ist der Urlaub gerade für deutsche Touristen besonders günstig.

Denn die Türkische Lira verliert gegenüber dem Euro seit Monaten massiv an Wert. Gerade mal 50 Euro kostet hier ein Standardzimmer, in einem 5-Sterne-Hotel. Enver Boga ist hier der Gästebetreuer.

Er zeigt uns ein Premiumzimmer. Für den Whirlpool mit Meerblick werden noch mal 60 Euro extra pro Nacht fällig. Für viele türkische Gäste ist das unbezahlbar. Ein Euro ist jetzt 18 Türkische Lira. Für die deutschen Gäste ist das nicht so viel. Aber für die türkischen Leute ist das bisschen mehr.

Türkische Pärchen wollen das noch nicht so? Nicht so viel. Aber manchmal auch. Weil das ist bisschen teuer für die türkischen Leute. Viele Hotelmitarbeiter bekommen Mindestlohn, aktuell umgerechnet 350 Euro pro Monat.

Damit wird schon der normale Alltag schwierig. Wir besuchen den Wochenmarkt von Kemer, etwa 6 km entfernt vom Hotel. Urlauber trifft man hier so gut wie gar nicht. Sie bleiben in den All-inclusive-Anlagen. Die Händler haben hier kaum etwas vom Tourismus.

Auch für viele Angestellte aus der Tourismusbranche ist der Markt ein schwieriger Ort geworden. Ihre Löhne sind zwar ein wenig gestiegen in diesem Jahr, die Preise aber noch viel mehr. Alleine im Juni um etwa 80%.

Marktverkäufer Kaan Yay beobachtet, dass die Leute nur noch das kaufen, was sie unbedingt brauchen. Der Mindestlohn wurde von 4.500 Lira auf 5.000 angehoben. Gleich am nächsten Tag wurden aber alle Preise erhöht.

Jemand, der 6.000 Lira Gehalt bekommt, bezahlt gut die Hälfte für Miete, dann kommt noch Strom und Wasser drauf und noch andere Ausgaben. Deswegen sind die Leute empört.

In Kemer arbeiten mehr Menschen im Tourismus als die Stadt überhaupt Einwohner hat. Auch Sabiha Karagöz. Die enorme Inflation macht ihr sehr zu schaffen. Ich bin im Sicherheitsdienst in einem Hotel tätig und bekomme Mindestlohn. Damit hier einzukaufen, ist sehr schwer. Es ist alles sehr teuer. Und es ist alles erst vor kurzer Zeit so teuer geworden, ich verstehe das nicht.

Gurken waren vor 2 Wochen noch 3 Lira, heute kosten sie 10 Lira. Bei den Tomaten ist es dasselbe. Gemüse bezahlt man mittlerweile mit der Kreditkarte. Und es gibt wenig Hoffnung. Die türkische Regierung will die Lira auch weiter nicht stützen.

Denn eine schwache Währung sorgt auch für günstige Urlaubspreise. In Kemer leben 43.000 Menschen auf einem engen Streifen Land zwischen dem Taurusgebirge und der Küste. In den 80er-Jahren wurde fast alles mit großen Hotelanlagen zugebaut. Sie reichen direkt bis an den Strand.

Am Wasser gibt es nicht mal eine Promenade zum Flanieren. Ich bin Murat Kemaneci, Journalist und der Gründer der Gazete Kemer. Ich wünsche mir ein Kemer, von dem alle, Einheimische, Fremde, Menschen aus aller Welt, gleichermaßen profitieren können.

Murat Kemaneci hat die Entwicklung Kemers vom kleinen Fischerdorf zur Touristenhochburg begleitet. Er meint, die einseitige Ausrichtung auf Massentourismus hat den Menschen ihre Heimat geraubt. Kemer wäre viel weiter, wenn es so wäre: Wenn die Hotels 100 m vom Strand entfernt wären. Wenn die Strände nicht so belagert wären. Wenn sowohl die Einheimischen als auch die Gäste gleichermaßen davon profitieren könnten. Dann wäre ich viel glücklicher und der Tourismus wäre viel schöner.

Für die Einheimischen sind diese Strände nicht mehr zugänglich, sie haben nichts mehr von ihrer Küste. 4,5 Mio. Touristen sind dieses Jahr schon gekommen, sie haben den Ort fest im Griff. Murat Kemaneci hat das schon in Hunderten von Artikeln kritisiert. Er ist nicht grundsätzlich gegen Tourismus. Aber er wünscht sich andere Formen.

Durch die geografische Lage von Kemer, zwischen den Bergen und dem Meer, ist das nur ein enger Landstrich. Daher eignet sich das hier nicht für den Massentourismus. Kleinere Hotels, Pensionen näher am Ökotourismus, würden die Natur nicht verschmutzen und wären auch besser für die Einkünfte. Bürgermeister Necati Topaloglu hat das Problem erkannt. Er ist vor 3 Jahren angetreten, um den Menschen hier ein Stück ihrer Heimat zurückzugeben.

Eine seiner ersten Amtshandlungen, er hat diesen Bürgerstrand anlegen lassen. Dafür mussten mehrere Gastronomiebetriebe, die hier vorher waren, schließen. Jeder hat das Recht, ins Meer zu gehen.

Die Menschen in Kemer brauchten einen Platz dafür. Deswegen betreiben wir diesen Strand jetzt als Stadtverwaltung. Hier ist ein Tag am Strand für jeden bezahlbar. Bei uns kosten Liegen 15 Lira, weil das ein öffentlicher Strand ist.

Woanders bis zu 100 Lira. Durch den Bürgerstrand ist Necati Topaloglu für die Menschen hier so etwas wie ein Held geworden. Ich komme jedes Jahr nach Kemer, weil Sie den Menschen diese Möglichkeit geben. - Danke. Ich wollte mich wirklich bei Ihnen bedanken, deswegen bin ich zu Ihnen rübergekommen.

Wenn etwas schön ist, dann muss man es auch sagen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg im Leben. Vielen Dank, schönen Urlaub noch. Währenddessen spielt sich das Geschäft mit dem Tourismus aber weiter fast ausschließlich in den großen Hotels ab. Die Menschen außerhalb der Anlagen profitieren fast gar nicht.

Der Bürgermeister würde das gern ändern. Unsere Kultur. Die sollen sie erleben. So fahren sie jetzt mit dem Bus vom Flughafen zum Hotel, bleiben dort eine Woche, sehen das Meer und den Pool und fahren wieder ab, ohne uns kennengelernt zu haben. Ohne das All-inclusive würden die Touristen rausgehen, irgendwo zu Mittag essen und einen Ausflug machen. So würde die ganze Region profitieren und nicht nur einige wenige Hotelbetreiber.

* Musik * Istanbul, 18 Mio. Einwohner. Hier bleibt kein Tourist in seinem Hotel. Es gibt unheimlich viel zu entdecken.

Dabei helfen mehr als 5.000 registrierte Fremdenführer. Mein Name ist Necla Tepekule. Ich stelle meinen Gästen die versteckten Restaurants der Hintergassen vor, führe sie durch Istanbul und unterstütze dabei Künstler und Handwerker. Ich möchte euch gerne Istanbul zeigen, mein Leben in Istanbul.

Der Treffpunkt ist der Galata-Turm, weil ich hier seit 13 Jahre lebe. Und ich liebe dieses wunderbare Viertel. Necla Tepekule zeigt ihre Nachbarschaft. Ihre Gäste erleben so einen sehr persönlichen Blick auf die Stadt. Ihr müsst euch jetzt mal umdrehen. Diesen wunderbaren Blick dürft ihr nicht verpassen.

Jeden Morgen, wenn ich in den Tag starte, mache ich eine Insta-Story, in der ich sage, good morning life. Ich bin so glücklich, hier zu leben. Hanno aus Münster ist heute auch mit dabei. Die anderen Teilnehmer kommen aus den USA und Russland.

Zusammen erfahren sie gleich am Anfang der Tour, was türkische Gastfreundschaft bedeutet. Hanno, for you. Diese Birnen sind ein Geschenk des Gemüsehändlers, einfach so.

Das ist ein toller Typ. Er ist sehr hilfsbereit. Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Und ich schulde ihm noch 1.000 Lira. Wenn man Leute kennt, wenn Leute sich mögen, macht man sich hier Geschenke. Das ist komplett umsonst? - Ja, umsonst. Wir zahlen nichts dafür.

Wir nennen es "Ikram", Geschenk des Hauses. Necla geht es nicht darum, Gratis-Birnen zu bekommen. Im Gegenteil, sie will Touristen auf kleine Geschäfte aufmerksam machen. Denn die Händler sind hart gebeutelt von der Währungskrise und können jeden Kunden gebrauchen.

In diesem Spezialitätengeschäft gibt es ein typisch türkisches Frühstück. Das ist das Beste für mich. Das ist unglaublich gut. Die Kombination von Eiern mit Joghurt, Spinat und Gewürzen.

Es ist richtig lecker. Es ist wirklich unfassbar gut. Du hast diesen Sesam-Geschmack, und dann hast du aber etwas Erdnussiges.

Das knallt voll rein. Es ist wirklich sehr, sehr lecker. Ei mit Joghurt, Knoblauch und dazu Sesam. So etwas entdecken All-inclusive-Touristen eher nicht. Auch die Spezialitäten im Verkaufsteil des Geschäfts sind Geheimtipps.

Der Ladeninhaber empfiehlt einen Honig aus der Grenzregion zu Georgien. Unser Traum war es, gesunde Produkte anzubieten und den Zugang zu diesen Produkten zu erleichtern. Deshalb bringen wir Produkte aus den entlegensten Teilen der Türkei hierher und bieten sie an. Stolze 70 Euro kostet so ein Glas Honig, das teuerste Produkt im Laden.

So profitieren auch abgelegene Regionen vom Tourismus. Und natürlich die einheimischen Händler. It has a really intense taste. Der Basar von Istanbul ist weltberühmt. Touristen suchen hier v.a. Keramik und Stoffe. Wer hier einen Laden hat, sollte eigentlich automatisch mit ausländischen Besuchern ins Geschäft kommen.

Kenan Misrat bietet in seinem Fotoladen Andenkenfotos in osmanischen Kostümen an. Deutsche Touristen hat er hier kaum noch als Kunden. Natürlich gibt es einen allgemeinen Rückgang.

Das beeinflusst uns auch negativ. Mit denen, die kommen, haben wir hier eine gute Zeit. Aber dass weniger Deutsche kommen, hat für uns einen negativen Effekt. Tatsächlich treffen wir auf dem Basar kaum deutsche Touristen. Das politische Image des Landes ist ein Problem, erfahren wir. Marco Hansen hat sich mit seiner Familie trotzdem für Istanbul entschieden.

Wir hatten schon vor Corona angefangen zu sagen, lass uns doch mal nach Istanbul, mal uns die Stadt anschauen. Man denkt sich natürlich, klar, das System hier ist nicht unbedingt das, was man als Deutscher erwartet oder erhofft zu haben. Aber man fühlt sich hier nicht irgendwie in irgendeiner Form unsicher oder irgendwie anders ungewöhnlich. Von daher ist es völlig okay. Statt deutscher Urlauber werden in Kenan Misrats Laden jetzt arabische Touristen in Szene gesetzt. Mit Schwert, Turban und schwerem Schmuck.

10 Euro kostet so ein Foto. Das Shooting kann auch mal eine halbe Stunde dauern. Kenan Misrat hätte gern wieder mehr deutsche Kunden.

Er sieht sich als Opfer der großen Politik. Als Gesellschaft haben wir keine Probleme miteinander, mit niemandem auf der Welt. Aber politisch können manchmal Probleme auftreten und die können dann die Gesellschaften der Länder beeinflussen. Ich denke, das hat etwas damit zu tun. Was soll es sonst sein? Der Euro ist in der Türkei viel wert, Istanbul ist ein sehr schöner Ort, die Türkei ist ein Ferienparadies.

Es gibt also keinen anderen Grund, nicht hierherzukommen. * Musik * Mitten im Getümmel von Istanbul befindet sich die Syria-Passage, eine Oase der Ruhe. Im 4. Stock treffen wir Gabi Altindis. Vor 13 Jahren ist sie für ihren Mann nach Istanbul gezogen.

Gemeinsam betreiben sie hier Ferienwohnungen. Jetzt gleich kommen Gäste, alles muss stimmen. Was machst du jetzt hier? Ich geh gerade die Sachen kurz durch, wir richten noch die letzten Dinge.

Wir haben manchmal so ein bisschen ein anderes Gefühl der Einrichtung. In der Türkei steckt man immer alles gerne in die Ecken. Ich mag es, wenn es nicht ganz so in der Ecke ist und ein bisschen luftiger ist. Die Wohnung hat hohe Decken, Parkettboden und einen Blick auf den Bosporus.

Trotzdem gibt es Gäste, die all dies seit einigen Jahren nicht mehr locken kann. Seitdem die Erdogan-Regierung die Freiheit einschränkt. Die Stammgäste, die wir ursprünglich hatten, die auch politisch interessiert sind, kulturell, politisch. Die haben gesagt, wir reisen jetzt nicht mehr in die Türkei. Das Image der Türkei ist in den letzten Jahren sehr zu Schaden gekommen.

Das geben wir zu. Europäische Städtereisende, die nach Istanbul kommen, sind in der Regel stark an kulturellen Begegnungen interessiert und reagieren auf das veränderte politische Klima. Gabi und Erdogan Altindis vermissen diese Gäste. Ihnen fehlt der Austausch.

Ganz persönlich und auch geschäftlich. Wir mussten auch darauf reagieren. Wir haben Wohnungen aufgegeben.

Aber wir haben nie die Idee aufgegeben. 50 solcher Wohnungen haben sie mal vermietet. Jetzt sind es nur noch 35. In der berühmten Istiklal-Straße, an der die Wohnung liegt, ist ein Wandel spürbar. Auch hier haben sich Geschäfte auf arabische Touristen eingestellt. Arabische Beschriftung und immer wieder Süßwarenläden, die bei Arabern besonders beliebt sind.

Die Türken selbst sind sehr flexible Menschen. Wenn sie sehen, die Europäer bleiben aus, dann sehen sie, jetzt kommen mehr arabische Touristen. Die können sich sehr schnell flexibel auf die Zielgruppe orientieren. Wir haben aber gesagt, dann reduzieren wir unsere Angebote.

Weil eben wir nicht uns umstellen wollten. Zurück zur Stadtführung. Auch Necla will am Austausch mit westlichen Touristen festhalten und mit ihnen ihren Blick auf Istanbul teilen. Deshalb geht es auf die Dachterrasse über ihrer Wohnung im 5. Stockwerk.

So einen Ausblick haben Touristen in Istanbul nur selten. Wir sind dankbar hier, mit dieser faszinierenden Aussicht auf Istanbul zu leben. Da fühle ich mich lebendig. Und es ist so gut, das zu teilen. - Wow. Das ist die Hagia Sophia. Und die Galata-Brücke.

Es ist wirklich sehr atemberaubend zu sehen, wie weit man gucken kann, wie groß diese Stadt ist. Und wie schön Istanbul sein kann, auch wenn es manchmal sehr voll ist. Aber sie hat was sehr Schönes. Ich erinnere mich an den Dokumentarfilm von Fatih Akin, "Crossing the Bridge". In dem Film sagt er, wenn die Welt eine Hauptstadt hätte, wäre das Istanbul.

Ich finde das so inspirierend. Da ist so ein großer Kontrast zwischen dem Modernen und dem Alten und so viele unterschiedliche Leute, ein schöner Mix. Das Kronotrop Café im Stadtteil Nisantasi darf als Stopp auf ihrer Tour nicht fehlen. Nicht nur, weil Necla regelmäßig zum Kaffeetrinken hierher kommt, hier hängt auch ein Porträt von Istanbul.

Mit Galataturm und Brücke. Rechts oben entdecken wir eine mutige Anspielung auf die Proteste im Gezi-Park. 2013 demonstrierten an dieser Stelle v.a. junge Türken gegen die Politik Erdogans. 9 Menschen starben hier durch Polizeigewalt, Tausende wurden verletzt.

Seitdem wird das Land zunehmend autoritärer regiert. Auch die Hagia Sophia ist ein symbolischer Ort für die Politik von Präsident Erdogan. Er hat sie wieder zu einer Moschee gemacht. Die Hagia Sophia wurde als Kirche gebaut und nach der Eroberung durch die Osmanen als Moschee genutzt.

Historische Mosaike von Jesus und Maria direkt neben Tafeln mit dem Namen Allahs. Das gab es so nur hier. Staatsgründer Kemal Atatürk widmete sie 1935 zu einem Museum um. Seitdem galt sie als Symbol für das friedliche Miteinander der Religionen. Doch das ist jetzt vorbei.

Die christlichen Symbole sind mit langen Stoffbahnen verhängt. Necla ist heute zum 1. Mal in der Hagia Sophia, seitdem sie wieder Moschee ist. Neclas Tour führt normalerweise nicht hierher. Wir haben sie gebeten, uns heute zu begleiten.

Wir müssen unsere Schuhe ausziehen. Es ist ziemlich lange her, dass ich das letzte Mal hier gewesen bin. Das Kopftuch musste sie sich am Eingang leihen.

Das ist für Frauen jetzt Vorschrift. Unser Eindruck: Hier gibt es v.a. gläubige Muslime. Westliche Touristen sehen wir kaum. Du warst nicht mehr hier, seit der Umwidmung. Woran liegt das? Ich denke, diese Frage ist ein bisschen politisch.

Damit möchte ich mich nicht beschäftigen. Ich bin vielleicht nicht die richtige Person, um solche Fragen zu beantworten. Ich liebe alle Menschen. Jedes Land. Deshalb ist das keine Frage für mich.

Mochtest du es hier, bevor es wieder eine Moschee wurde? Ich kann diese Art von Fragen nicht beantworten. Ich kann daran keine Kritik üben. Diese Zurückhaltung bei Fragen, die als politisch verstanden werden könnten, begegnet uns immer wieder.

Entwickelt sich die Türkei gerade zu einem autoritären Land? Mit strengen religiösen Regeln? Zwischen all den gläubigen Muslimen in der Hagia Sophia entdecken wir Touristinnen aus Deutschland, Salome und Katharina aus Karlsruhe. Auch sie mussten sich hier passend kleiden. Man kommt nicht mit den Klamotten rein, die wir anhaben. Da vorne ist ein Verkaufspunkt, wo man das kaufen kann.

Aber wir haben sie von Leuten, die vorhin rausgegangen sind, weil die das ja auch nur wegschmeißen. - Ganz genau. Vom Kopf bis zu den Waden verhüllt. Das sehen die beiden lässig. Ist nicht so ungewohnt, in katholischen Kirchen z.B. in Italien muss man sich auch solche Kittel kaufen. Das einzige Ungewohnte ist das Kopftuch. Aber das sieht man ja oft, also ist nicht so komisch. Die Touristinnen akzeptieren die neuen Regeln.

Doch viele Kritiker in der Türkei sind empört, wie rabiat das christliche Erbe der Türkei verdrängt wird. Dass es auch anders geht, sehen wir in Sümela in der Provinz Trabzon. Hier befindet sich das bedeutendste christliche Kloster der Türkei. In weit über 1.000 m Höhe, spektakulär in die Felswand gebaut.

Ich heiße Veysel Oguz, bin professioneller Guide am Schwarzen Meer. Wir sind hier offen dafür, neue Kulturen und Menschen kennenzulernen. Veysel Oguz' Gäste sind v.a. muslimische Touristen. Heute zeigt er einer Familie aus Pakistan das Kloster. Die Hauptidee ist die, dass Gott über unseren Köpfen thront. Hier könnt ihr sehen, dass Jesus Christus in seiner Hand das Alte Testament hält.

Heute ist Sümela ein Symbol für kulturelle Toleranz. In dem Kirchengewölbe wird gerade ein Jahrhunderte altes Wandbild aufwendig restauriert, finanziert durch den türkischen Staat. So sorgfältig wurde dieser Kulturschatz nicht immer behandelt. Nachdem die Mönche das Kloster verlassen mussten, haben religiöse Eiferer den Heiligenbildern die Gesichter weggemeißelt.

Zwischen 1923 und 1930 war hier niemand. Also kamen schlechte Menschen und haben die Fresken zerstört. Für die meisten muslimischen Touristen, die hierher kommen, ist diese Geschichte neu. Veysel Oguz ist es wichtig zu vermitteln, was hinter diesen Schändungen steht.

Wir müssen über diese Ignoranz sprechen. Denn sie ist unser größter Feind. Für die Kultur und die Menschen. Saad Siddiqui und seine Familie aus Pakistan haben heute viel gelernt.

Für sie als Muslime hat das Kloster auch eine religiöse Bedeutung. Denn Maria und Jesus werden auch im Koran erwähnt. Früher war das Kloster sogar das gemeinsame Ziel muslimischer und christlicher Pilger. Ich war überrascht, das zu hören. Das habe ich nicht gewusst. Das ist das Gute daran, zu solchen Orten zu kommen.

Du erfährst, wie ganz verschiedene Kulturen zusammen klarkommen. Einmal im Jahr feiert die Orthodoxe Kirche hier einen Gottesdienst. Ansonsten ist das Kloster ein Touristenmagnet in der Region. Eine Autostunde von Sümela entfernt liegt Trabzon. In der Metropole am Schwarzen Meer hat sich eine neue Art von Tourismus entwickelt.

(singt) Hier prägen arabische Besucher noch viel stärker das Stadtbild als in Istanbul. Kaum ein anderer Ort in der Türkei hat sich so konsequent auf sie eingestellt. Mein Name ist Fatih Kalkisim. Ich bin der Besitzer des Restaurants Cemilusta.

Alle Touristen sind bei uns willkommen. Es kommen aber zunehmend Araber. Wir bieten ihnen unseren besten Service. Fatih Kalkisim betreibt mit seinem Sohn Eren ein Restaurant im Zentrum von Trabzon.

Hier gibt es traditionelles türkisches Essen. Doch jetzt haben sie die Speisekarte angepasst, denn inzwischen sind mehr als 60% ihrer Gäste Araber. Die Araber haben etwas, das sich Humus nennt. Sie haben uns jedes Mal gefragt, Haben Sie Humus? Haben Sie Humus? Wir haben geguckt, was das ist. Die Herstellung ist einfach, effizient. Wir haben es produziert und jetzt verkaufen wir das.

Die Familie ist vor 11 Jahren aus Dormagen zurück nach Trabzon gezogen. In der Küche duftet es nach Köfte, dem Nationalgericht der Türkei. Humus und Reis gehören jetzt aber eben auch zum Angebot. Die arabischen Gäste prägen das Stadtbild. Das bereitet einigen Türken mittlerweile Unbehagen, v.a. die ungewohnten Bekleidungssitten.

Ich habe hier in Trabzon mit meinen eigenen Ohren gehört: Nimm den Gesichtsschleier runter, du kannst hier so nicht rumlaufen. Aber das ist doch kein Tourismus. Tourismus ist, dass du dich mit deiner Kultur hier wohlfühlst.

Dass du hier entspannt tragen kannst, was du willst, und herumlaufen, wie du willst. Was ist der Unterschied von einer Frau, die total bekleidet ist, und einer Frau, die nicht sehr bekleidet ist. Das ist das gleiche Wesen.

Also... Önyargi? (Frau) Vorurteil. Also, es ist ein Vorurteil. Ja. Vielleicht, wenn man so guckt und man sieht nur arabische Frauen, dann könnte man sagen: Wo sind die Türken? Könnte man sagen vielleicht.

Aber generell: Mir ist das egal. Also für mich. Die meisten arabischen Touristen wohnen in Trabzon im 5-Sterne-Luxus. Direkt am Meer. Ich heiße Bogac Yilmaz. Jeden Tag lernen wir hier Neues über arabische Kultur. Manager Bogac Yilmaz zeigt uns sein Hotel.

Wir haben v.a. Gäste aus Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Jordanien, Bahrain, Oman. Die arabischen Gäste kommen in der Regel mit der gesamten Großfamilie. Im Frühstücksraum bilden sich deshalb schnell Gruppen.

180 Zimmer hat das Hotel. Und die fallen etwas größer aus als sonst üblich. Denn die arabischen Familien wohnen gerne alle zusammen.

Doch noch wichtiger ist ein besonderes Detail im Bad. Das hier ist ein Shattaf. Das ist sehr wichtig für arabische Touristen. Sie fragen nicht als Erstes, wie groß das Zimmer ist oder ob es Meerblick hat. Es geht erst einmal nur um das Shattaf.

Sie haben eine Regel: Wenn es kein Shattaf gibt, nehmen wir das Zimmer nicht. Also hat man sich hier an die Toilettenhygiene der arabischen Gäste angepasst. Das Zimmer hat auch einen erstklassigen Ausblick auf das Schwarze Meer. Aber das Meer ist den arabischen Gästen offenbar gar nicht so wichtig. An diesem Vormittag entdecken wir kaum Touristen im Wasser.

Die jungen Araber gehen schwimmen. Aber die älteren sind schon zufrieden damit, das Wasser an ihren Füßen zu spüren. Das gesamte Hotel ist für die neuen Gäste umgebaut worden. Marmorböden, Marmorwände.

Wer arabische Touristen überzeugen will, muss etwa 6-mal so viel wie üblich in die Ausstattung investieren, sagt der Manager. Sie haben also Millionen investiert? - Mehr. Doch die Investitionen haben sich gelohnt. Die neuen Touristen bringen jedes Jahr mehr Geld ans Schwarze Meer.

Die arabischen Urlauber, die nach Trabzon reisen, kommen aber in 1. Linie nicht wegen der Stadt ans Schwarze Meer. Sondern wegen der Berge, die direkt dahinter beginnen. Für deutsche Besucher sieht es aus wie in Bayern oder am Bodensee.

Wir sind unterwegs zum Bergsee Altinpinar Limni. Hier muss man Eintritt zahlen. Das ganze Areal wirkt wie ein Themenpark. * Musik * Wer die Berge liebt, ist hier richtig.

Bei deutschen Touristen ist das hier aber offenbar noch nicht so bekannt. Wir treffen v.a. arabische Touristen. So wie Samer Naji Jodh und Muna Hassin Aude.

Die beiden sind echte Alpinisten. Sie sind aus dem Irak angereist. Es ist das Wasser, es sind die Bäume. Überhaupt das ganze Grün. Alles ist einfach wundervoll hier. Temperaturen um 20° im Juli statt über 40 in der Heimat sind an sich schon ein Erlebnis.

Beim Rest haben die türkischen Gastgeber nur ganz diskret nachgeholfen. Offenbar mit großem Erfolg. Es ist das Paradies.

Ja, absolut. Es ist für mich wie das Paradies. Gottes Paradies auf Erden. Ein ganz anderes Tourismusmodell entdecken wir in Kappadokien, etwa 8 Autostunden vom Schwarzen Meer entfernt im Landesinneren.

Die Zahl der Touristen ist hier in den letzten 3 Jahren um 60% gestiegen. Selbst in der Corona-Zeit kamen relativ viele Gäste. Die allermeisten lockt der Instagram-Trend her, sich mit den außergewöhnlichen Felsformationen zu fotografieren. Das ist nicht immer ganz so einfach. Wer das größte Highlight der Region sehen will, muss extrem früh aufstehen. * Musik * 3:50 Uhr am Morgen.

Hunderte Ballons werden für das Schauspiel vorbereitet, das Kappadokien weltberühmt gemacht hat. Pilot Halis Aydogan bereitet den Ballon vor. Bis zuletzt war nicht klar, ob heute ein Flug überhaupt möglich ist. Denn die Nacht war sehr windig. Ich habe schon 1998 mit dem Ballonfahren angefangen. Ich war der 1. türkische Pilot,

der die Lizenz im Ausland gemacht hat. Ich bin nach Russland gegangen. 2004 war ich dann fertig ausgebildet. Ich bin also schon sehr lange im Geschäft. Ich liebe Ballonfahren. Gut 20 Touristen sind mit Halis Aydogan unterwegs.

Kurz nach dem Start erleben sie das 1. Highlight. Die Sonne geht hinter der einmaligen Felsenlandschaft auf. * Musik * Für diesen Moment sind viele hier überhaupt nur nach Kappadokien gekommen.

Von dieser Aussicht lebt eine ganze Region. Touristen kommen für Oldtimerfahrten vor dieser Kulisse. Und Brautpaare reisen sogar aus dem Ausland an für ein Fotoshooting.

* Musik * (sprechen türkisch) Um kurz nach 7 Uhr erreicht der Ballon den Stadtrand von Göreme. Das ist der Moment, in dem zahllose perfekt inszenierte Fotos für Instagram entstehen. Auf hunderten Dachterrassen in der ganzen Stadt. Anna Sartorato ist mit ihren Freunden aus Italien angereist. Es ist großartig.

Wir wollten eigentlich schon gestern fliegen, aber es war zu windig. Also wurde der Flug abgesagt. Umso schöner, dass wir es heute geschafft haben. Nach 1 h in der Luft ist alles vorbei. Die Kollegen von Halis Aydogan ziehen den Korb exakt auf den Anhänger. Ja, es war ein guter Flug.

Der Wind stand günstig. Wir konnten über ganz Kappadokien fliegen. Halis Aydogan produziert die Ballons mittlerweile auch selbst. 10 neue Arbeitsplätze sind so in seiner Firma entstanden.

Die Ballonfahrten und der Hype darum bescheren der gesamten Region einen satten Aufwind. Die Tuffstein-Landschaft von Kappadokien mit ihren charakteristischen Höhlen-Häusern ist UNESCO-Weltkulturerbe. Jedes Jahr kommen mehr Touristen, um das zu sehen.

Und Göreme ist das touristische Zentrum von Kappadokien. Eine spektakuläre Besonderheit sind hier ausgehöhlte Felsen, die "Feenkamine". Einige sind sogar bewohnt. Göreme hat nur etwa 2.000 Einwohner. Seit dem Insta-Hype um die märchenhafte Landschaft lebt fast jeder hier vom Tourismus.

Wir treffen Helga und Suat Demir. Sie wollen sich heute mit ihren Töchtern einen traditionellen Teppichladen ansehen. Ob das alles handgemacht ist? Boah, das sieht ja schön aus. Die 5 kommen aus Bonn, haben aber noch Verwandte in Antalya.

Der Abstecher nach Kappadokien hat sie dann aber doch gereizt. Für den eigenen Instagram-Account ist das schon nicht so verkehrt, der Urlaub hier. - Ja. Das ist cool hier. Man hat das auch nicht in Deutschland überall. Deswegen finde ich das cool. Einen Teppich kaufen wollen sie eigentlich nicht.

Es geht mehr um die Kulisse. Genau das hat der Besitzer des Teppichladens erkannt und daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Er bietet ein professionelles Shooting an. Mit Drohne. Der offene Innenhof ist wie gemacht für die Drohne. 90 Euro kosten die Aufnahmen.

5 solcher Shootings sind alleine an diesem Tag geplant. Das sieht voll gut aus. Das kannst du auf Facebook hochladen. Ich dachte, Facebook wäre was für ältere Leute. - Genau deswegen. Hallo? Werden das eure Weihnachtpostkarten für die Verwandtschaft? Warum nicht? - Da werden aber viele neidisch.

Vom Instagram-Hype können viele hier gut leben. Doch der Boom gerät an Grenzen. Es gibt nicht genug Platz, um alle Gäste unterzubringen. Eigentlich durfte hier nicht in die Landschaft gebaut werden. Denn Kappadokien war ein Nationalpark.

Doch dieser Status wurde 2019 von der Regierung aufgehoben. Seitdem werden auch hier Hotels in großem Stil geplant. Mein Name ist Mükremin Tokmak. Diese Region ist für alle Völker dieser Erde wertvoll.

Wir müssen uns darum kümmern. Mükremin Tokmak setzt sich dafür ein, dass Kappadokien seinen ursprünglichen Charakter behält. Er sieht mit Sorge, dass in der Region bereits gewaltige Hotelprojekte geplant sind. Das auffälligste in Form eines Riesenballons, mit Ausblick auf die echten Ballons. Der Investor, so schlau, wie er ist, hat sich gedacht: Dann bauen wir doch gleich ein Hotel in der Form eines Ballons, wenn das hier so populär ist.

Er hat dieses Projekt ins Leben gerufen. Noch steht nicht fest, wo das stehen soll. Ein Ballon, das ist absurd.

In Kappadokien, in dieser Natur, mit ihren Besonderheiten. Das hier ist nicht Antalya, Alanya oder Las Vegas. Was hat ein Ballon hier verloren? So etwas Kitschiges, Billiges. Es passt einfach nicht. Es passt nicht zu uns. Mükremin Tokmak geht es aber nicht nur um dieses eine Hotel-Projekt.

Er sieht die ganze Landschaft in Gefahr. Denn an vielen Stellen werden kleinere und größere Gebäude errichtet. Teilweise in unmittelbarer Nähe zu Feenkaminen. Ich sehe das. Und das macht mich fertig. Ich bin richtig traurig. Geld und Tourismus ist nicht alles.

Vielleicht ist das ein Trend, aber in dieser unechten Welt will ich nicht leben. Doch es setzen längst nicht alle Hoteliers auf teure Neubauten. Im Stadtkern von Göreme gibt es noch eine ganze Reihe historischer Unterkünfte, in Fels gehauen. Mein Name ist Hasan Dasdeler. Ich vermiete Unterkünfte. Wir möchten, dass Kappadokien so bleibt, wie es jetzt ist.

Hasan Dasdeler ist in Göreme aufgewachsen. Sein Elternhaus hat er zu einem kleinen Hotel umgebaut. Auch den Feenkamin ganz oben. Hier hat er aber keine großen Panoramafenster in den Fels gebaut, sondern alles so gelassen, wie es war. Sein Feenkamin-Zimmer soll den Touristen vermitteln, wie die Menschen in Kappadokien früher gelebt haben.

Die Leute sollen die alte Kultur von hier sehen, ein Gefühl für die besondere Atmosphäre des Raumes entwickeln, mit seinen Felswänden. Das ist etwas ganz Besonderes. Hier wurden früher mal Tauben gezüchtet.

Danach war es ein Speicher, in dem man Wintervorräte gelagert hat wie Getreide und Linsen. Wir haben einige Räume, die früher einmal Speicher waren. Die Wendeltreppe führt zu einer kleinen Nische. Hier können Gäste Tee trinken und entspannen.

Der Feenkamin hat hier oben eine kleine Öffnung. So hat Hasan schon als Kind auf Göreme geschaut. Größere und v.a. mehr Hotels würden auch Göreme mehr Einnahmen aus dem Tourismus garantieren. Doch die Einzigartigkeit der Landschaft ist dadurch in Gefahr. Wir treffen noch einmal Mükremin Tokmak.

Hier in Göreme hat er einen unglaublichen Sieg errungen. Er hat es geschafft, dass ein Hotelgebäude, das zwischen diesen beiden Feenkaminen entstand, wieder abgerissen werden musste. Indem er dieses Foto von dem Projekt verbreitet hat.

Alleine auf Twitter wurde es 22 Mio. Mal geteilt. Schließlich musste sogar Präsident Erdogan reagieren. Wegen des sozialen Drucks.

An einem Tag kamen die Bulldozer. Es wurde alles gestoppt. Einen Tag später wurde es abgerissen. So schnell ging das. Zack.

Vielleicht nimmt Kappadokien tatsächlich einen anderen Weg. Vielleicht wird sich hier ein behutsamer Tourismus durchsetzen. Wirklich entschieden ist das aber noch lange nicht. Fakt ist: Überall in der Türkei muss sich der Tourismus gerade neu erfinden, damit die Menschen besser davon leben können.

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2022-08-30 19:26

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